Dies Domini – 32. Sonntag im Jahreskreis, Lesjahr B
Hört man den Lesungen unseres Sonntags aufmerksam zu, so singen sie das Hohelied der Unvernunft. Es fängt schon mit der ersten Lesung an: Der Prophet Elija spricht eine völlig verarmte Witwe an und erwartet ein selbstgebackenes Brot von ihr. Das lehnt sie ab, weil sie selbst nichts mehr hat und aus der Handvoll Mehl und einem wenig Öl, das noch da ist, ihrem Kind und sich selbst die letzten Bissen zubereiten will, bevor sie verhungert. Ja, ja, meint der Prophet, mach das, aber
„mache zuerst ein kleines Gebäck für mich und bring es zu mir heraus.“ (1 Kön 17,13)
Unverschämt von dem Kerl, einer armen Witwe noch den letzten Brotkrumen abzuverlangen. Trotzdem tut sie wie verlangt und der Erfolg?
„So spricht der Herr, der Gott Israels: Der Mehltopf wird nicht leerwerden und der Ölkrug nicht versiegen bis zu dem Tag, an dem der Herr wieder Regen auf den Erdboden sendet.“ (1 Kön 17,14)
Und so geschieht es. Märchenhaft, aber leider auch recht unglaubwürdig.
Und dann das Evangelium: Jesus lobt die arme Witwe, die zwar nur zwei kleine Münzen in den Opferkasten wirft, aber das ist schließlich ihr gesamter Unterhalt, viel mehr als all das viele Geld von den Reichen, die damit doch nur einen kleinen Teil ihres Überflusses abgeben.
Schließlich der Spiegel vor uns selbst, wenn das Evangelium von Jesu Warnung vor den Schriftgelehrten wiedergibt:
„Nehmt Euch in Acht vor den Schriftgelehrten. Sie gehen gern in langen Gewändern umher … und wollen in der Synagoge die Ehrensitze, …, bei jedem Festmahl die Ehrenplätze.“ (Mk 12,38f.)
Man wird an die Vorbehalte mancher Würdenträger erinnert, doch ja nicht in gleichrangiger Position mit einfachen Laien in die Gottesdienste zum Synodalen Weg einzuziehen, das gezieme sich doch nicht bei den Standesunterschieden. Soll man da lachen oder weinen? Jedenfalls auch hier: die reine Unvernunft, solchen Leuten und Positionen noch Autorität zuzugestehen.
Meist folgen wir der Aufforderung zu blinder Unvernunft ja nicht. Wir wissen, dass auch die Caritas Ressourcen braucht, wenn sie dauerhaft helfen will und auch wir selbst besser nicht unseren ganzen Unterhalt spenden, damit wir nicht selbst hilfsbedürftig werden und weiterhin helfen können. Warum stellt uns Jesus so oft diese unrealistischen Forderungen?
Ich glaube, es liegt daran, dass wir die eschatologische und paränetische Dimension dieser Jesusworte nicht berücksichtigen und von den klaren Anweisungen für den Alltag der Gemeinden unterscheiden. Jesus wollte wohl wirklich und konkret, dass es bei uns nicht so sein sollte wie bei den Pharisäern und Schriftgelehrten, sondern dass alle gemeinsam, die ihm nachfolgen, nur dem einen Hirten folgen, ihm, der der Weg und die Wahrheit selbst ist. Wenn er aber für den vernünftigen Menschen unerfüllbare Forderungen aufstellt, wie die, das gesamte Vermögen wegzugeben und zu leben wie die Lilien des Feldes und die Vögel des Himmels, dann will er dringend und ernstlich ermahnen: es geht um etwas, es geht um Dein Leben! Tu, was Du kannst, handle sinnvoll, aber geh in Deiner Nächstenliebe soweit wie es irgend geht. Und wie bei Elija wird es Dir tausendfach vergolten, wenn am Ende der Zeiten Du selbst Deines Lebens ansichtig wirst und Dich über das freuen kannst, was Du andern Gutes getan hast. Dann wirst Du Deinen Anteil erkennen, dass der Jubel des Psalmisten wahr wird:
„Der Herr ist König auf ewig, dein Gott, Zion, durch alle Geschlechter.“ (Ps 146,10)
Diese Unterscheidung, dieses genaue Hinhören auf die Situation, die wünsche ich uns auch, damit wir gewappnet sind gegen die Unverschämtheiten unserer heutigen „Schriftgelehrten“ und offen für die Appelle des Herrn.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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